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Ein Stapel Zeitungen und ein Tablet

Projekt „Zukunft Rathaus“ in Vorbereitung


Mit dem Spatenstich im März 1972 erfolgte der Startschuss für die Bauarbeiten zum Neubau des „Langen Egon“, wie der Bau scherzhaft in Anlehnung an das damalige Parlamentsgebäude der Bundesrepublik in Bonn genannt wurde. Das Gebäude gilt heute noch als das höchste Rathaus Baden-Württembergs und steht seit 2012 als „einmaliges Denkmals des Baustils der 70-er Jahre“ ebenso wie sein Namensvetter in Bonn unter Denkmalschutz.

Schon im Jahr 1892 wurde in Lörrach der Beschluss gefasst, dass für die wachsende Stadtverwaltung zusätzliche Räume gebaut werden müssen. Es dauerte allerdings 70 Jahre, bis dieses Vorhaben umgesetzt werden konnte. Im Jahr 1965 wurde schließlich der Beschluss zum Rathausneubau gefasst. Nach einem intensiven Diskurs mit der Bürgerschaft und der Politik genehmigte der Stadtrat im Jahr 1969 schließlich die Planung des Entwurfs von Thomas Heiß, der sich in einem vorangegangenen Architekturwettbewerb durchsetzen konnte.

Im März 1972 fand schließlich der Spatenstich statt und die Bauarbeiten konnten beginnen. Diese wurden im Jahr 1975 beendet und der Rathausturm konnte im Januar 1976 bezogen werden. Für die Realisierung entstanden Kosten von 23.792.000 DM. „Unser Rathaus ist ein Dokument von Rang für die bauliche, künstlerische und organisatorische Gestaltung unserer Tage geworden“ schreibt Egon Hugenschmidt in der Festschrift zur Einweihung 1976.

Nach einer intensiven Nutzungsdauer von einem knappen halben Jahrhundert ist das Rathausgebäude buchstäblich in die Jahre gekommen, die Liste der baulichen Mängel lang, der Sanierungsdruck hoch: das Gebäude weist dringende Sanierungsbedarfe in bautechnischer, energetischer und sicherheitsrelevanter Hinsicht auf. Bautechnisch sind im Wesentlichen häufige Wassereintritte bei Regenereignissen sowohl über die Dachflächen als auch durch die Fenster, veraltete und störanfällige Sanitär-, Heizungs- und Lüftungsanlagen und ein ungeeigneter Ort für die Serveranlage der Verwaltung auf der Mängelliste. Die Aufzugsanlage ist störanfällig, aufgrund ihres Alters gibt es bei einem Ausfall teilweise keine Ersatzteile mehr – besonders prekär bei einem 17-stöckigen Bau mit Publikumsverkehr. Der energetische Sanierungsbedarf ist nicht erst seit der Energiekrise ein dringendes Handlungsfeld mit erheblichen Auswirkungen auf den Energiehaushalt und den Energieverbrauch des Gebäudes mit etwa 1 Millionen Kilowattstunden pro Jahr für den Wärmebedarf. Dieser resultiert aus einer minimalen Wärmedämmung der Außenwände und undichten, ungedämmten Metallschiebefenstern. Gravierend ist der sicherheitsrelevante Sanierungsbedarf, so können geltende Brandschutzvorschriften wie auch der geltende Erdbebenschutz nicht erfüllt werden. Beides ist aufgrund des geltenden Bestandschutzes des Gebäudes aktuell gesichert.

Insbesondere die Fassade des Rathauses stellt nach aktuellen gutachterlichen Erkenntnissen aus dem Sommer 2022 ein zunehmendes Sicherheitsrisiko dar. Die Fassade ist seit 2019 mit zahlreichen Trägerplatten und Schrauben zusätzlich gesichert. Mit dieser Maßnahme wurde der Fassade eine Reststandzeit der Fassade von drei bis fünf Jahren prognostiziert. Zur Folge hatte die Sicherungsmaßnahme auch, dass regelmäßige Befahrungen der Fassade durch Fachleute notwendig wurden, um die Sicherheit der Fassade stetig zu überprüfen. Jeweils im Anschluss der Kontrolle erfolgt eine Auswertung der gewonnenen Erkenntnisse und Empfehlung für die nächsten Schritte. Das Ergebnis der Fassadenbefahrung aus dem Sommer 2022 bescheinigt, dass sich der bauliche und sicherheitstechnische Zustand der Fassade deutlich verschlechtert hat, die gutachterliche Bewertung bescheinigt einen unerwartet schnelleren und stärkeren witterungsbedingten Verfall. Die sehr heiße Witterung des vergangenen Sommers hat zu einer Beschleunigung der Verrottungsprozesse an den Fassadenplatten geführt. Wasser dringt in die Paneele ein und verringert die Standfestigkeit deutlich. Dies hat zur Konsequenz, dass Fassadenteile ausgetauscht werden müssen, die Planung hierzu wird aktuell vorbereitet. Die Umsetzung der Fassadensicherung ist für das Jahr 2023 vorgesehen.

Für die strategische Entwicklung von anstehenden großen, komplexen Vorhaben wurde zu Beginn dieses Jahres eine Stabsstelle im Rathaus eingerichtet, die sich derzeit vorrangig mit der Entwicklung des Großprojektes „Zukunft Rathaus“ befasst. Die Stabsstelle leitet Annette Buchauer, vormals Fachbereichsleiterin Grundstücks- und Gebäudemanagement. Ihre Aufgabe ist es, die notwendigen umfassenden Prozesse und Abstimmungen innerhalb der Projektgruppe zu initiieren, zu koordinieren und zusammenzufassen. Die ersten Ergebnisse der umfangreichen Voruntersuchungen liegen vor, weitere Studien werden beauftragt. Das Ziel ist es, für diese außerordentliche und ressourcenintensive Baumaßnahme, unabhängig davon, welches Zukunftsszenario weiterverfolgt wird, eine solide und verantwortungsvolle Entscheidungsgrundlage zu entwickeln.

Grundsätzlich sind vier Szenarien für die Zukunft des Rathauses realistisch und denkbar. Die Sanierung des Bestandgebäudes, der Abriss des Gebäudes und Neubau am gleichen Standort, ein Neubau auf dem Areal des Kreisklinikums oder die Sanierung des Kreisklinikums, beides nach Umzug des Klinikums an den neuen Standort des Zentralklinikums.

Grundlegend für die Szenarien Sanierung ist die Frage, ob die Gebäude in ihrer Substanz sanierungsfähig sind.

Für das Bestandsgebäude des Rathauses liegt hierzu eine positive Machbarkeitsstudie vor, für das Gebäude des Kreisklinikums folgt die Machbarkeitsstudie in den nächsten Monaten. Für die Entscheidung, mit welchem Zielszenario, Neubau oder Sanierung, das Projekt Zukunft Rathaus weiterverfolgt wird, werden die Handlungsfelder Nachhaltigkeit und Wirtschaftlichkeit eine Rolle spielen. Da im Bausektor derzeit circa 40 Prozent des weltweiten CO2-Ausstoßes und über 50 Prozent des weltweiten Abfallaufkommens produziert werden, kommt dem Thema Bauwerkserhalt, Weiterverwendung und Recyclierbarkeit von Baustoffen eine immer größere Bedeutung zu. Im Rahmen der Machbarkeitsstudie durch das Büro Drees und Sommer wurde ermittelt, dass durch die Weiterverwendung des Rohbaus in der Luisenstraße 16 neben einer Kostenersparnis auch eine erhebliche Menge an CO2 im Vergleich zu einem Neubau eingespart wird (für die Sanierung sind etwa 170 Tonnen CO2-Äquivalente zu veranschlagen, für einen vergleichbaren Neubau sind dies etwa 1950 170 Tonnen CO2-Äquivalente). Die Aspekte der Ressourcenschonung bei Rohstoffen, der Verringerung von Materialtransporten und die aktuellen Materialengpässe, geben Hinweise auf eine höhere Wirtschaftlichkeit einer Sanierung.

Stellungnahme Oberbürgermeister Jörg Lutz:

„Das Lörracher Rathaus ist Mittelpunkt der kommunalen Daseinsvorsorge: Infrastrukturmaßnahmen in Straßen, Wege und städtische Gebäude wie Schulen und Kindertageseinrichtungen, Bürgerservice und -dienste, Meldewesen, Kultur, die städtischen Finanzen, Mobilität, die Umsetzung von Klima- und Umweltschutzmaßnahmen, Stadtplanung und Entwicklung, Abwasserentsorgung, Hochwasserschutz und vieles mehr wird hier von über 300 Beschäftigten Tag für Tag für unsere Stadt organisiert. Darüber hinaus ist das Rathaus Heimat der Kommunalpolitik, es beherbergt Sitzungssäle, Fraktionszimmer und den Großen Sitzungssaal des Gemeinderats und seiner Ausschüsse. Doch nach einem knappen halben Jahrhundert ist das denkmalgeschützte Gebäude dringend sanierungsbedürftig. Wir gehen die Zukunft des Lörracher Rathauses verantwortungsvoll und weitsichtig an. Wir entwickeln eines der größten Projekte der vergangenen und kommenden 50 Jahre. Das notwendige Finanzierungskonzept ist in Vorbereitung und Abstimmung mit den übergeordneten Behörden. Unser Ziel ist es, so viele Fördermittel wie möglich zu akquirieren, denn eine erste grobe Kostenschätzung für das Szenario der Sanierung des Bestandsgebäudes, die Preissteigerungen im Bausektor eingerechnet, liegt bei 73 Millionen Euro. Mit einem interdisziplinären Team und unter Einbeziehung von externen Fachleuten werden wir eine solide Entscheidungsgrundlage für den Gemeinderat schaffen und binden die Bürgerschaft in die Entscheidungsfindung mit umfassenden Informationen zum Projektfortschritt ein. Das einzigartige Bauprojekt wird unabhängig von einem konkreten Zukunftsszenario außergewöhnliche Finanzierungsmaßnahmen erfordern, die im Einklang mit den gesamtstädtischen Bau- und Sanierungsprojekten stehen müssen.“

Stellungnahme Bürgermeisterin Monika Neuhöfer-Avdić:

„Das Lörracher Rathaus ist ein außerordentliches Bauprojekt mit gleichermaßen hoher Strahlkraft und Dringlichkeit und einer großen Komplexität. Wir müssen die Zukunft des Gebäudes ganzheitlich betrachten, Einzelmaßnahmen haben Auswirkungen auf das gesamte Bauwerk. So würde beispielsweise durch eine isolierte Fassadensanierung der Bestandschutz für die Brandschutzmaßnahmen entfallen, diese müssten dann unabdingbar für das gesamte Gebäude nach den geltenden Vorschriften umgesetzt werden. Ein „Flickwerk“ führt nicht zum Ziel und wir sehen auch, dass Zwischenlösungen kostenintensiv und nicht nachhaltig sind. Das belegen die jährlichen Bauunterhaltungs- und Betriebskosten von 500.000 Euro. Auch ist die mangelnde Dämmfunktion der Fassade aus Gründen des Klimaschutzes nicht vertretbar. Wir haben bis zum jetzigen Zeitpunkt schon viele Informationen zusammengetragen. So haben wir sorgfältig mögliche Standorte aus Sicht der Stadtplanung untersucht mit dem Ergebnis, dass ein Rathaus seinen Platz in der Mitte der Stadt hat, nah bei den Bürgerinnen und Bürgern als Servicestandort, als Begegnungsort der Menschen, als Entscheidungsort für die Kommunalpolitik. Auch liegt die Machbarkeitsstudie zur Sanierung des Bestandsgebäudes vom Planungsbüro Drees & Sommer aus dem Jahr 2019 vor, wir betrachten das Handlungsfeld Nachhaltigkeit im Sinne des Erhalts guter Bausubstanz, Stichwort „Graue Energie“. Wir haben das Projekt „Zukunft der Verwaltung“ gestartet, um für die weiteren Planungen zu wissen, wieviel Raum wir für unsere Mitarbeitenden und ihre Arbeit brauchen und wie die neuen Arbeitswelten im Zuge der Digitalisierung aussehen werden, die Finanzierungsvarianten sind in Bearbeitung, die Bauplanung für eines der größten Investitionsprojekte der Lörracher Geschichte, ganz unabhängig von einem möglichen Szenario wird vorbereitet und auch die Bauleitplanung für das Klinikareal, dass im Jahr 2025 an die Stadt zurückfällt, muss vorbereitet sein. Konkret schauen wir uns auch an, welchen Nutzungswert das Gebäude des Kreisklinikums für eine Verwaltung hat, die Machbarkeitsstudie inklusive einer groben Kostenschätzung wird in nächster Zeit beauftragt.“

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Stabsstelle Medien und Kommunikation

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